Cafés kämpfen gegen arbeitende Gäste, die Sitze blockieren und fast nichts konsumieren
Die Betreiber des Kaffeekranz in Luzern sind stolz auf den Kaffee aus ihrer eigenen Rösterei. Doch zur Kundschaft ihres Lokals gehören nicht nur Koffein-Kenner, sondern auch Menschen, die ihren Laptop mitbringen, Mails abarbeiten und virtuelle Sitzungen durchführen. Nun wurde es dem Café zuviel: Kürzlich informierte es die Gäste über neue Regeln, weil Homeoffice und Meetings überhand genommen hätten. Neu gilt: Arbeiten am Laptop ist nur erlaubt, wenn genügend Plätze frei sind. Meetings abzuhalten ist genauso verboten wie mobiles Arbeiten am Wochenende.
So wie den Luzernern geht es Gastronomen im ganzen Land. Das Basler «Unternehmen Mitte» führte schon 2018 laptopfreie Zonen ein. Seither hat sich die Problematik wegen der steigenden Beliebtheit des Homeoffice verschärft. Immer mehr Menschen können selbst entscheiden, wo sie arbeiten und ziehen das gemütliche Café dem Zuhause und dem Büro vor.
Dieser Trend treibt seltsame Blüten. In Winterthur musste die Inhaberin eines Cafés vor wenigen Wochen ein Laptopverbot verhängen. «Anfangs waren es nur wenige Eltern, die ab und zu ein Mail beantworteten, während ihre Kinder spielten», sagt sie dem «Landboten». «Aber dann gab es plötzlich Tage, da war die Hälfte aller Tische fünf Stunden lang mit Laptops besetzt.» Teilweise hätten die Kinder geweint und gestritten, während die Eltern abgeschottet mit dem Headset vor dem Laptop sassen. Mit dem Verbot wolle sie auch den Charakter des Lokals bewahren.
Mittags alleine am Vierertisch
Hinter dem Trend zu strikten Regeln steckt aber nicht nur die Sorge um die Atmosphäre, sondern auch jene um den Umsatz. Der Betreiber des «Café des Amis» in Zürich plant ein Laptopverbot zwischen 11 und 14 Uhr, nach 18 Uhr und an Wochenenden. «Wir sind ein kleines Café und auf den Umsatz angewiesen», sagt er dem «Tagblatt der Stadt Zürich». Es gebe Leute, die über Mittag einen Vierertisch mit Bürosachen besetzen. So würden dem Café 70 Franken entgehen.
Der Betreiber des «Kafi Freud» in Zürich, der ein Laptopverbot an Wochenenden und freitags verhängt hat, wird damit zitiert, für ein kleines Nachbarschaftscafé sei die Laptop-Kundschaft «wirtschaftlich bedrohlich». Diese Menschen würden lange bleiben, wenig konsumieren und die Fluktuation bremsen.
Dass Menschen, die im Café arbeiten, weniger Umsatz bringen, stimmt aber nicht für alle. Hans-Petter Oettli, der Präsident des Verbands Cafetiersuisse, sagt, in bedienten Lokalen sei eher eine Steigerung des Umsatzes feststellbar. Dort sei es an den Mitarbeitenden, nachzufragen, ob der Gast noch etwas wünsche. Bei Konzepten mit Selbstbedienung hingegen sinke der Umsatz pro Gast tendenziell.
Lokale setzen auf Extra-Räume
Das sei aber je nach Standort und Konzept verschieden – und vielleicht sogar geplant, etwa, wenn Steckdosen zur Verfügung gestellt werden. Es gebe zudem vermehrt Betriebe, die zusätzlich zum Gastraum einen Platz zum Arbeiten anbieten, etwa mit separaten Zellen oder Arbeitsplätzen und teilweise mit Sitzungsräumen.
Früher sei vor allem Starbucks für Studierende und Schüler der Platz gewesen, wo sie ihre Studien und Arbeiten bei einer grossen Tasse Kaffee erledigt hätten. «Heute hat sich das auch in die individuellen Cafés verbreitet und es sind nicht mehr nur Schüler und Studenten», sagt Oettli.
Manche Betriebe schielen denn auch bewusst auf die Gruppe der mobilen Laptop-Arbeiter. Im «Bridge» unweit des Zürcher Hauptbahnhofs etwa galt bis vor etwa einem Jahr, dass man mittags nicht mit einem Laptop einen Tisch besetzen soll. Dann ging das Lokal von der Migros an neue Besitzer über. Die verzichten auf Regeln – und ihr Betrieb ist gut gefüllt.
«Wir sind ein Café, kein Co-Working-Space»
Starbucks war Vorreiter dieses Modells als «dritter Ort» zwischen Büro und Zuhause. In den Kaffeehäusern sollten die Menschen viel Zeit verbringen, angelockt von gemütlicher Einrichtung und kostenlosem WLAN. Lange ging das Modell auf und Starbucks eilte von Rekord zu Rekord. Gäste bestellten pro Aufenthalt nicht nur überdurchschnittlich viele Getränke und Speisen, sie waren auch loyal und kehrten oft zurück.
Dann begann Starbucks, sich stärker auf Lieferungen und Bestellungen, die in der App getätigt und vor Ort abgeholt werden, zu fokussieren. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer sank deutlich – und die Umsätze gingen seit 2023 sieben Quartale in Folge zurück. Dass wegen dem Homeoffice-Boom viele Innenstädte in den USA Frequenzen verloren, tat sein Übriges.
Der neue Starbucks-Chef Brian Niccol verordnete dem Konzern vor gut einem Jahr eine Rückkehr zu den Wurzeln als «dritter Ort». Im dritten Quartal dieses Jahres stieg der Umsatz erstmals wieder, wenn auch nur schwach.
Das Beispiel zeigt: Kaffeehäuser, die bewusst mobile Arbeiter und Studentinnen und Studenten ansprechen, können erfolgreich sein – wenn sie sich entsprechend positionieren. Ein Quartiercafé, das ein Ort der Begegnung sein will, braucht hingegen manchmal Einschränkungen. Oder, wie es die Betreiber des Luzerner Kaffeekranz formulieren: «Unser Café ist in erster Linie ein Ort zum Kaffee trinken, entspannen und begegnen und kein Co-Working-Space».
